AAVs werfen viele Fragen auf. Wir haben mit dem Produktionsentwicklungschef der FACC gesprochen
Im Verlauf des 4Gamechanger Festivals haben uns viele Fragen zur Konstruktion des EHang 216 Prototypen erreicht, wie sicher er ist und vieles mehr. Wir haben deshalb Hermann Filsegger, VP Engineering und Produktentwicklungschef der FACC AG zum Interview gebeten.
UAMP: Welche Schritte muss die FACC mit dem EHang 216 auf dem Weg zur Serienproduktion absolvieren?
Hermann Filsegger: Der EHang durchläuft auf dem Weg zur Serienproduktion eine 2-stufige Entwicklungsphase, wir stehen aktuell noch am Beginn von Stufe 1.
In Stufe 1 geht es zunächst darum, den aktuellen Prototypen reif für die Serienproduktion zu machen. Serienproduktion bedeutet in diesem Zusammenhang, den EHang in einem industriellen Umfeld in kleinen Stückzahlen – wir sprechen hier von einigen hunderten Stück – produzierbar zu machen. Diese werden dann für alle möglichen Tests in verschiedenen Ländern der Welt benötigt. Dabei schauen wir als FACC bereits in dieser Phase, dass wir vorbereitend schon vorhandene Luftfahrtbau-Vorschriften aus gültigen Luftfahrtgesetztes-Texten einfließen lassen. Das sind Vorschriften für „very light rotorcrafts“,
Teil zwei von Stufe 1 ist es ein voll zulassbares Luftfahrzeug auf Basis der dann vorhandenen – und vielfach noch zu erstellenden – Vorschriften zu bauen.
Stufe 2 ist dann die industrielle Produktion in großen Stückzahlen.
UAMP: Wird der EHang dann weiterhin so aussehen wie die aktuell ausgestellten Prototypen am 4Gamechangers Festival?
Hermann Filsegger: Ja, für Stufe 1 wird der EHang äußerlich so aussehen wie bisher – das Design bleibt ebenfalls gleich, hauptsächlich aus Zeitgründen. Wesentliche Änderungen wird es erst in der Stufe 2 geben.
UAMP: Wie ist dieser Schritt der industriellen Produktion des EHang für die FACC AG zu bewerten?
Hermann Filsegger: FACC ist bis jetzt ein Systemlieferant der Luftfahrtindustrie. Jetzt gehen wir den nächsten logischen Schritt hin zum Bau eines vollständigen Fluggerätes.
UAMP: Kann man dies mit der Entwicklung von Magna in der Steiermark vergleichen, die zuerst Komponenten und schließlich ganze Autos bauen?
Hermann Filsegger: Ja, das ist ein sehr treffender Vergleich, wir gehen als FACC einen vergleichbaren Weg.
UAMP: ist diese Herausforderung für die FACC-Entwickler nicht enorm?
Hermann Filsegger: Eigentlich nicht, denn neben Serienentwicklungen haben wir schon viele rasche, agile Entwicklungsprojekte „gestemmt“. Dies war eine sehr gute Vorbereitung für das EHang Projekt. Wir arbeiten hier mit der Scrum Methodik, oft werden Entscheidungen vom Morgen, am Abend bereits wieder angepasst, weil so viele Dinge grundsätzlich gedacht werden müssen.
Das ist ein sehr dynamischer Prozess, mit Inputs aus den Fachabteilungen wie Produktion, Industrial Engineering, auch der Zulieferer und vom Programmmanagement als Product Owner.
UAMP: Wie sieht es mit der Sicherheit aus? Was muss dabei berücksichtigt werden?
Hermann Filsegger: Sicherheit ist wie bei allen in der Luftfahrt ein enorm wichtiges Thema. Das Air Taxi muss extrem sicher ausgelegt sein. Hier kommen Testmethoden aus der Luftfahrt und die viele Erfahrung der FACC als Technologiepartner in der Luftfahrt zum Tragen.
Die Elektronik, Elektrik, Konnektivität, Navigation und Flugsteuerung kommen von EHang – hierin liegt eigentlich der größere Teil für Genehmigungen durch die Behörden.
UAMP: Oft werden wir gefragt was passiert, wenn ein Rotor während dem Flug beschädigt wird (z.B. durch einen Vogel)? Wie sind die Szenarien dafür?
Hermann Filsegger: Gehen wir vom Vogelbeispiel aus, je nach Größe kann es einen Rotorschaden geben, bei kleineren wird das aber nicht sein. Die Konstruktion ist hier ein wesentliches Element für die Sicherheit. Denn jeder Motor für jeden Rotor hat eine eigene Batterie, damit ist das System in sich redundant und damit extrem sicher.
Selbst wenn 4 von 16 Rotoren ausfallen sollten, kann der EHang immer noch gesteuert werden und sicher am Boden landen. Hinzu kommt, dass die Flüge ja nur 20 Minuten dauern und durch die kurze Flugdauer durchaus auch die Anzahl möglicher Vorfälle sinkt.
UAMP: Was ist im Extremfall bei einem Absturz?
Hermann Filsegger: Die Stufe 2 der Entwicklung muss alle Crashtests bestehen – die Vorschriften sind noch nicht alle da, aber die Anforderungen sind vergleichbar mit der Formel 1. Eine wesentliche Herausforderung in der Konstruktion ist die Gewichtsfrage in Relation zur notwendigen Sicherheit. Wir arbeiten hier mit Karbonfaser verstärktem Kunststoff. Zusätzlich werden wir die Landekufen optimieren, um Energie bei harter Landung zu absorbieren – wie im Helikopterdesign. Abhängig von den Vorschriften der Behörden kann es sein, dass es in Zukunft einen eingebauten Rettungsfallschirm gibt.
Zum Thema Notlandung sind unsere Kollegen bei EHang gefordert. Sie haben bereits 33.000 Flüge mit kleinen Drohnen – siehe Foto – über der Stadt zu Testzwecken absolviert, um Erfahrungswerte zu sammeln. Denn der Elektronik ist es letztendlich egal, ob sie später eine 2kg Drohne oder einen großen EHang steuert.
UAMP: in welcher Höhe wird der EHang fliegen und was ist dabei zu beachten?
Hermann Filsegger: der EHang wird in ca. 300 Meter Höhe fliegen. Da ist man jeglichem Wettergeschehen ausgesetzt. Aktuell fliegen wir nur nicht bei Regen oder Hagel. Tests laufen natürlich bei jedem Wetter und in Zukunft fliegt das Air Taxi auch bei normalem schlechten Wetter.
UAMP: Wir werden oft gefragt, ob die Rotoren in der aktuellen Konstruktion nicht gefährlich sind?
Hermann Filsegger: Der EHang wird nur an definierten und damit abgesicherten Start- und Landeplätzen aufsetzen, niemals in freier Landschaft. Zusätzlich bleiben die Türen automatisch geschlossen bis die Rotoren stillstehen.
UAMP: Das Thema Lautstärke wird auch oft angesprochen. Wird das nicht extrem laut sein, wenn 200 oder 300 Air Taxis über Wien fliegen?
Hermann Filsegger: Natürlich muss das Air Taxi noch leiser werden. Insbesondere für den Betrieb in der Stadt. Aktuell liegen wir bereits bei 65 dB, das ist vergleichbar einem Rasenmäher.
(Anmerkung Redaktion: 70 Dezibel entsprechen Staubsauger, Wasserkocher, laufender Wasserhahn. 65 Dezibel entsprechen normalem Gespräch, Nähmaschine, Fernseher in Zimmerlautstärke)
Das Propellerdesign ist ein wesentlicher Faktor zur Lärmreduktion, wir haben dazu eine Kooperation mit einem spezialisierten Partner. In Stufe 1 wollen wir wesentlich leiser werden, Ziel sind 5-10 dB (Anmerkung Redaktion, das wären ca. 55 dB = Regen, Kühlschrank, leises Gespräch, Geräusche in der Wohnung)